Art Therapy

vom handeln und behandelt werden

Eröffnung am 20.07.2024 um 16:30 Uhr, Hochschule für Bildende Künste Dresden, Foyer der Bibliothek, Güntzstr. 34, 1. OG | Ausstellungsdauer von 20.07.–05.08.2024

Ärzt*innen behandeln. Patient*innen werden behandelt. Die Behandlung ist geglückt.
Behandeln Sie mich nicht so! Hier wurde ich gut behandelt. Wie behandeln Künstler*innen ein Material? Wie behandelt ein Material eine Patient*in? Wer hat wann gehandelt und wer erfuhr eine Behandlung?

Der Begriff Behandlung enthält sowohl ein passives als auch ein aktives Moment. Im medizinischen Kontext begeben wir uns in die Hände von Expert*innen und wollen behandelt werden und es ist die Aufgabe von Therapeut*innen, auf eine Diagnose eine
Behandlung folgen zu lassen. Wenn wir in der Kunsttherapie jedoch das Konzept von „Behandlung“ erweitern, können wir uns diesem Handeln und behandelt- werden auch im Kontakt und in der Beziehung zum Material annähern. Dass die Behandlung in dieser Hinsicht nicht nur von uns ausgeht, sondern vom Material selbst, liegt ganz im Sinne des Konzepts der material agency, die als Handlungsmacht und aktive Kraft eines Materials zu verstehen ist. Was geht vom Material aus, was von mir? Welchen Einfluss hat das autopoietische Potenzial des Materials auf den Prozess, auf das Werk, die Beziehung?

Bevor eine Beziehung aufgebaut werden kann, muss ein Kontakt entstehen. In Momenten der kunsttherapeutischen Kontaktaufnahme, treten Patient*in, Therapeut*in und Materialien in einen Aushandlungsprozess. Welche Grenzen, Lücken, Kontaktpunkte und -flächen zeigen sich? Materialien und Körper können sich berühren. Gleichzeitig können wir jedoch auch ohne physische Berührung in Kontakt treten. Ein Blickkontakt kann eine körperliche Berührung unter Umständen an Intensität weit übersteigen.

Das Prozessgeschehen des Handelns und Behandelt-Werdens ist mal sichtbar, mal unsichtbar und teilweise nur schemenhaft zu erahnen. Inwiefern können eigenwillige Dynamiken, die das Auftauchen und Verschwinden von Eindrücken, Erfahrungen und
Reflexionen im therapeutischen Prozess charakterisieren, im Umgang mit Material sichtbar werden? Welche Aspekte können im Ausstellungsraum erlebt werden? Ausgehend von den Materialien Ton, Papier, farbige Tusche, Draht, Holz und Stoff werden visuelle, auditive und haptische Erfahrungen ermöglicht. Das Material bzw. Werk könnte in Verbindung mit einer Handlungsanweisung gebracht oder in seinen Veränderungsprozessen über einen Zeitraum hinweg dokumentiert werden.

Materialauswahl

  • Ton als organisches, plastisches und räumliches Material kann in unterschiedlichen Zuständen Verwendung finden, als matschige Erde, als Formmasse oder als gebrannter Scherben. Die Begrenzung liegt hierbei bei weißem, unschamottiertem Ton.
  • Das weiße, weiche Chinapapier (30g/qm) bietet mit seiner rauen Oberfläche eine flächige Komponente in den Materialien und fasst die Eigenschaften von Papier als Werkstoff und Lichtdurchlässigkeit zusammen. Es kann sowohl sehr klein und präzise, als auch großflächig und dreidimensional gearbeitet werden.
  • Die fließende, flüchtige, autopoietische Qualität der Tusche thematisiert eigenwillige Dynamiken, die das Auftauchen und Verschwinden von Eindrücken, Erfahrungen und Reflexionen im therapeutischen Prozess. Die Verbindung aus Wasser und Farbigkeit macht Transparenz und Unkontrollierbarkeit erfahrbar. Es kann Tusche in den drei Grundfarben (blau, gelb, rot) und in schwarz verwendet werden.
  • Silberfarbener Alu- und Eisendraht in drei verschiedenen Stärken (Wickeldraht: 0,65mm, Eisendraht: 1mm und Aluminiumdraht: 4mm) bilden eine gestische, lineare und raumgreifende Komponente. Die Besonderheit liegt hier in der Flexibilität und der dünnen Ästhetik, wobei die verschiedenen Stärken in den verschiedenen Ausgangsmaterialien mehr oder weniger Stabilität bzw. Flexibilität ermöglichen. Draht ermöglicht plastische Formbarkeit und visualisiert Bewegung.
  • Holz bietet die Möglichkeit, stabile Objekte zu bauen, die aus Verbindungen mehrerer Teile bestehen. Hierfür soll weitestgehend natürlich belassenes bzw. nicht stark verarbeitetes Holz (wie MDF oder Pressspanholz) verwendet werden. Dazu gehören zum Beispiel sowohl naturbelassene Äste, als auch nicht verleimte Massivholzbretter. Das Holz soll selbstorganisiert erhältlich gemacht und bearbeitet werden.
  • Weißer monochromer Nesselstoff und Schleiernessel lassen in ihren unterschiedlichen Dicken die großflächige und dreidimensionale Arbeit zu. Hierbei kann ebenso die Transparenz des Stoffes, aber auch die Möglichkeit der Umhüllung genutzt werden.


Autopoiese ist ein fachübergreifender Begriff, der den Prozess der Selbsterschaffung und Erhaltung eines Systems beschreibt.