Während einer Woche im Mai (08.-12.05.2023) werden junge erwachsene Patient*innen der psychiatrischen Tagesklinik des Hanseklinikums Stralsund eingeladen sein, das Thema Höhle, Hülle, Haus im Kirchenraum St. Jakobi, Stralsund ästhetisch zu erkunden. Studierende der HfBK Dresden werden die Patient*innen in 12 Kleingruppen (1 Studierende*r und 1-2 Patient*innen) räumlich, bildnerisch und performativ bei der Gestaltung von individuellen Binnenräumen zum Motiv Höhle-Hülle-Haus unterstützen. Ressourcen-orientierte Erfahrungen von Schutz, Beheimatung, von persönlichen Grenzen, Zugehörigkeit und Identität durch die Wahrnehmung und Erkundung von individuellen Innen- und Außenräumen stehen dabei im Vordergrund. Patient*innen können den Kirchenraum erkunden, Positionen erproben und Binnenräume entwerfen und gestalten. Die Materialien sind Farbe, Textilien und Bewegung im Raum. Verwendete monochrome Stoffe haben Studierende der Szenischen Malerei vorbereitet, indem sie
Farben der Kirchenwände analysiert und auf Textilien aufgebracht haben.
Weitere Textilien stellen Studierende der KunstTherapie zur Verfügung, wie auch Patient*innen einfarbige Kleidungsstücke zum experimentellen Workshop mitbringen. Zusätzlich werden Bambusstäbe und Schnüre für den Bau textiler Binnenräume verwendet. Studierende des Bewegtbildes begleiten den gesamten Prozess filmisch und akustisch. Die Gestaltungsphasen am Vormittag werden von Gesprächs-, Reflexions und Dokumentationsphasen begleitet und unterbrochen. Filme, Fotos, Zeichnungen und Tonspuren stellen die künstlerischwissenschaftliche Dokumentation des Projektes dar und werden in die finalen Reflexion des Projektes eingebettet. Im Anschluss an die Arbeit mit den Patient*innen sind für Studierende an den Nachmittagen Reflexionen, Supervisionen und Vorträge vorgesehen.
Das fakultätsübergreifende Kooperationsprojekt der Hochschule für Bildende Künste Dresden, des Helios Hanseklinikum Stralsund und der Kulturkirche Stralsund nähert sich, ausgehend von den Begriffen Höhle, Hülle, Haus, den grundlegenden Erfahrungen des Menschseins, nämlich den scheinbar gegensätzlichen Bedürfnissen nach Schutz, Sicherheit und Unversehrtheit auf der einen
Seite und nach Individualität, Autonomie, Entwicklung und Selbstausdruck auf der anderen Seite.
Diese – oft widerstreitenden – Bedürfnisse sind in therapeutischen Prozessen von zentraler Bedeutung. Künstlerische Strategien und architektonische Bezugnahmen der Klasse Szenische Malerei, die filmischen Dokumentationen der Projektklasse Bewegtbild und fotografische und zeichnerische Dokumentationsformen der KunstTherapie und der Szenischen Malerei werden die Kleingruppen bei den prozessualen Entwicklungen ihrer jeweiligen Räume begleiten und diese dokumen:eren. In Abstimmung mit den beteiligten Patient*innen können Prozesse des Projekts öffentlich gemacht werden.
Projektleitung
Prof.in Dr. Alexandra Hopf, Professur für KunstTherapie
Leitung Aufbaustudiengang KunstTherapie
Projektteam
1. Dr. Christine Armbruster, Oberärztin Tagesklinik
2. Prof.in Maren Greinke, Szenische Malerei, Hochschule für Bildende Künste Dresden
3. Prof.in Dr. Alexandra Hopf, Aukaustudiengang KunstTherapie, Hochschule für Bildende Künste Dresden
4. Priv.-Doz.in Dr. med. Deborah Janowitz, Chefärztin Erwachsenenpsychiatrie und Psychosomatische Medizin
5. Lamia Sabic, wissenschafliche Mitarbeiterin, Projektklasse Bewegtbild, Hochschule für Bildende Künste Dresden
6. Kerstin Schrems, wissenschafliche Mitarbeiterin, Meisterschülertitel Bildende Kunst, Dipl.- Kunsdherapeutin
7. Dr. Gerd Franz Triebenecker, Leitung Kulturkirche St. Jakobi/Theatertherapeut Helios Hanseklinikum
8. Prof.in Nicole Vögele, Projektklasse Bewegtbild, Hochschule für Bildende Künste Dresden
Workshopteam Mai 2023
1. Prof.in Maren Greinke, Szenische Malerei, Hochschule für Bildende Künste Dresden
2. Prof.in Dr. Alexandra Hopf, Aukaustudiengang KunstTherapie, Hochschule für Bildende Künste Dresden
3. Dr. Gerd Franz Triebenecker, Leitung Kulturkirche St. Jakobi/Theatertherapeut Helios Hanseklinikum
4. Lamia Sabic, wissenschafliche Mitarbeiterin, Projektklasse Bewegtbild, Hochschule für Bildende Künste Dresden
5. Kers:n Schrems, wissenschafliche Mitarbeiterin, Meisterschülertitel Bildende Kunst, Dipl.- Kunsdherapeutin
17 Studierende der Studiengänge Szenische Malerei, Bewegtbild und KunstTherapie
1. 2 Studierende der Szenischen Malerei >>>
2. 3 Studierende des Bewegtbildes >>>
3. 12 Studierende der KunstTherapie >>>
Patient*innen
16 Patient*innen der Tagesklinik Adoleszenz des Helios Hanseklinikums
Zeitplan
Seit Januar 2022
Projekttreffen, Vor-Ort-Treffen Stralsund und Zoomkonferenzen: Konzeptentwicklung Höhle-Hülle-Haus
WS 2022/23
Semesterbegleitende Studien zu Höhle-Hülle-Haus: Material als Kunsttherapeutische Intervention, Künstlerische Praxis und Forschung in der Therapie, Performative Aspekte der Therapie, Vorbereitung seitens des Studienganges Szenische Malerei, Vorortrecherche und Farbuntersuchungen, Projekdreffen und Vorbereitung mit Studierenden des Bewegtbildes
03.01.-13.01.2023
Zweiwöchiger Workshop in Dresden – Studierende der Szenischen Malerei vermitteln KunstTherapiestudierenden Strategien zum Bau flexibler textiler Binnenräume; Studierende des Bewegtbildes begleiten mit ersten künstlerisch-filmische Dokumentationen die Probeinterventionen mit textilen-räumlichen Material der KunstTherapiestudierenden.
05.01.2023
Vortrag Ulla von Brandenburg (* 1974 in Karlsruhe) Malerin, Grafikerin, Installations- und Videokünstlerin und Professorin für Kunst und Malerei in Karlsruhe. Zu textilen Räumen, Farbe, performa:ven Elementen und Heterotopien
08.05.-12.05. 2023
Workshop in Stralsund mit Pa:ent*innen, Studierenden und Lehrenden der HfBK Dresden und dem Leiter der Kulturkirche Stralsund
12.05. 2023
(vorbehaltlich) Abschlussveranstaltung in Form eines öffentlichen Symposiums
Juli 2023
Projektausstellung Höhle, Hülle, Haus Fakultät II, im Rahmen der Jahresausstellung der HfBK Dresden
Projektziele
• Erschließung des Motivs Höhle-Hülle-Haus als eines der ältesten Kulturphänomene und der damit verbundenen Relevanz für therapeutische Prozesse, in denen emotionale Bedürfnisse wie Schutz, Beheimatung und Zugehörigkeit thematisiert werden
• Unmittelbare und therapeutisch wirksame (Bild- und Raum-) Erfahrung für Patient*innen durch praktische, interdisziplinäre Gestaltung von Binnenräumen mit textilem künstlerischem Material
• Einbindung und Verknüpfung von Studieninhalten und Einbedung in theoretische und praxisrelevante Bezüge als Grundlage für eigenständige kunsdherapeutische Methodenentwicklung für Studierende
• Entwickeln, Vertiefen und Anwenden von Formen künstlerischer Forschung und deren Weiterentwicklung als therapeutische Reflexionsformen
• Zugang zu einem künstlerisch-therapeutischen Raum für eine interessierte Öffentlichkeit im Rahmen der Abschlussveranstaltung als Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, zur Bildung und Kultur des Gemeinwohls und damit zur Inklusion
Relevanz des Projekts
Für die Patient*innen werden in den Gestaltungs- und Erfahrungsräumen des Projekts Fragen der Zugehörigkeit, des sozialen Miteinanders und der individuellen Bedürfnisse und Grenzen angesprochen. Hier können Ressourcen, aber auch Herausforderungen wahrgenommen und bestenfalls weiterentwickelt werden. Das inklusive Format, die Einbedung des Projektes in den öffentlichen Raum der Kulturkirche, kann hier über das lokale Publikum hinaus wirksam werden. Das Projekt Höhle-Hülle-Haus - als erstes seiner Art - trägt damit zur Entstigma:sierung psychischer Erkrankungen und zum Gemeinwohl bei.
Im oben dargestellten Vorgehen werden die praktische Anwendbarkeit spezifischer bildnerischer und performativer Methoden in der Therapie erprobt, künstlerische und therapeutische Reflexionsformen geübt, aber auch wissenschafliche Kompetenzen gelehrt. Studierende der Kunsttherapie erwerben im Hinblick auf ihr zukünfiges kunsdherapeutisches Arbeitsfeld notwendige Erkenntnisse und Fähigkeiten, um Interven:onen kontextabhängig und wissenschaflich-reflektierend zu entwickeln und somit eigenständig zu erforschen.
Studierende des Bewegtbildes werden mithilfe verschiedener dokumentarischer Herantastungsformen filmisch greifen und begreifen, was an den Workshoptagen entsteht, wächst, ins Bildsein kommt und unsagbar bleibt. Die filmemacherische Frage, welche Form des Dokumentierens die angebrachteste und dadurch wahrhafigste sein könnte, soll für die Studierenden
der Bewegtbildklasse zentral sein.
Studierende des Szenischen Malerei haben das Projekt über Recherche und Untersuchungen in der Kulturkirche Stralsund verortet. Es wurden Bezüge zwischen der Entstehung der Kirche durch die Gesellschaft und dem Entstehen von Erfahrungsräumen durch Patient*innen hergestellt. Der Prozess des Gestaltens wird von den Studierenden der Szenischen Malerei zeichnerisch und technisch begleitet um die Weiterentwicklung von textiler Architektur in den Studiengang einfließen zu lassen.
Von der Weltgesundheitsorganisation wurde jüngst eine große Metaanalyse in Aufrag gegeben. Sie thematisierte die Wirkung der Künste auf Gesundheit und Wohlbefinden (WHO 2019).
Der 2019 abgeschlossene Bericht verweist auf positive Effekte künstlerischer Aktivitäten auf alle Bereiche menschlicher Gesundheit (Quelle). Über 3000 Studien zeigen, dass Kunst und Kultur generell ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Prävention und Behandlung von Erkrankungen, aber auch in der gesellschaflichen Gesundheitsförderung sind.
Der heilsame Einfluss der Künste mag auch für das Projekt Höhle, Hülle, Haus als Argument für dessen Relevanz dienen. Das individuelle Wohl der Patient*innen wird angesprochen, aber auch Bildungsinhalte der Studierenden der HfBK Dresden orientieren sich an Werten wie Inklusion und Gemeinwohl. Der künstlerischen Kompetenzerwerb der Studierenden wird in gesellschaflichen und sozialen Entwicklungs- und Lernfeldern fruchtbar gemacht.
Alexandra Hopf, 2023