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Lila. Wie eine Farbe die Welt veränderte

Der „lila Drache“, so wurde Margot Honecker heimlich hinter ihrem Rücken genannt, weil sie einerseits als die wohl bekannteste, aber auch gefürchtetste Frau in der DDR galt und anderseits, weil ihre kleine zierliche Erscheinung mit dem lila – grau schimmernden Haarschopf selbst eine beeindruckende Erscheinung war. Aber wo startet das Phänomen der lila getönten Haare?

Antwort auf diese Frage findet sich in einer Publikation von Simon Garfield „Lila. Wie eine Farbe die Welt veränderte“, die sich unter einer Vielzahl anderer Publikationen im Nachlass des Professors für Restaurierung und ehemaligen Rektors der Hochschule für Bildende Künste Dresden Ulrich Schießl in der Hochschulbibliothek befindet.

Das Buch erzählt die Lebensgeschichte des britischen Chemikers William Henry Perkin (1838-1907), der 1856 bei dem Versuch, Chinin synthetisch durch Oxidation von Allyltoluidin herzustellen, zufällig durch die Umsetzung von Anilin mit Kaliumdichromat den Mauvein-Farbstoff (Perkin-Violett, Anilinpurpur) erfand. Die Entdeckung gilt zugleich als erste Erfindung eines synthetisch hergestellten Farbstoffes. Das Buch bietet auch einen Überblick über die Etablierung der Chemie als Forschungs- und Unterrichtsfach, der Gründung des Royal College of Chemistry 1845 und der Rolle der Chemie in der zunehmenden Industrialisierung im Land.

Es ist Perkins künstlerischen Interesse geschuldet, dass dem Farbstoff eine so bedeutende Rolle zufällt. Als Schüler August Wilhelm Hofmanns (1818-192), der 1841 mit einer Arbeit über die „Chemische Untersuchung der organischen Basen im Steinkohlenteer“ an der Universität in Gießen unter Justus von Liebig (1803-1873) promovierte, kam Perkins in Kontakt mit der Elementaranalyse des aus Steinkohlenteer enthaltenen Anilins (Kyanol) und Chinolins (Leukol), das ursprünglich für die Herstellung von Medikamenten dienen sollte. Hoffmann, der auf Empfehlung Liebigs und auf Wunsch des englischen Prinzengemahls Albert, eine Professur am Chemischen Instituts in London übernahm, wurde mit dem Aufbau des Royal College of Chemistry betraut, dessen Leitung ihm anschließend übertragen wurde. Er maß der Entdeckung des Farbstoffes ursprünglich sehr wenig Bedeutung bei. Perkin setzte sich jedoch gegen den Willen seines Lehrers durch und sicherte mit einer Patentierung seine Entdeckung im gleichen Jahr ab. Im Anschluss gründete er eine chemische Fabrik zur Herstellung von Teerfarben oder Teerfarbstoffen (Anilinfarben). Bereits 1857 wurde das Mauvein industriell produziert, denn es eignete sich besonders gut für die Färbung von Seide, später wurde es auch zur Färbung anderer Naturfasern wie Baumwolle und Wolle verwendet. Nichttextile Anwendungen, wie zum Beispiel die Papierfärbung oder Lebensmittelfärbung folgten. Es begann eine rasante Entwicklung der Chemie der Teerfarbstoffe, die zur Gründung vieler neuer Produktionsstätten führte. Galt Teer vorher nur als wertloses Abfallprodukt der Koksgewinnung aus Steinkohle, wurde es durch die Entdeckungen zum wichtigsten Ausgangsmaterial für die industrielle organische Chemie.

1956, zum 100-jährigen Jubiläum der Entdeckung der Farbe Mauve, brachte das Kosmetikunternehmen Clairol ein neues Produkt auf den Markt: Miss Clairol. Es war das erste Haarfärbemittel für den Hausgebrauch, dass einfach wie ein Shampoo aufgetragen wurde. Der Individualität und Vielfalt stand nun nichts mehr im Weg.